Frauenportrait von
Heidi Gafner
* 1827 - 1901
Johanna Louise Spyri-Heusser
Egal wohin ich komme, meinen Namen «Heidi» und diese Geschichte kennt man überall und hat mich mein ganzes Leben lang begleitet.
Ganz, Johannes, Fotograf, Schweiz, 1821-1886 - Zentralbibliothek Zürich
Ihre Welt sind die Berge: Johanna Spyri war die Tochter eines Arztes und einer Dichterin und wuchs mit ihren fünf Geschwistern in einem kleinen Dorf im Kanton Zürich auf. Mit fünfzehn Jahren zog sie zu ihrer Tante nach Zürich, wo sie zur Schule ging und in einem Pensionat Französisch lernte. Nach ihrer Schulzeit kehrte sie in ihr Heimatdorf zurück, wo sie ihre jüngeren Geschwister unterrichtete und ihrer Mutter im Haushalt half, bis sie sich 1851 mit Bernhard Spyri verlobte, zurück nach Zürich zog und einen Sohn bekam.
Für mich ist Johanna Spyri eine unwahrscheinliche Autorin für einen Welterfolg. Nicht genug damit, dass sie eine Frau war, obendrein veröffentlichte sie bis zum 44. Altersjahr auch keinen einzigen Text. Ihr Privatleben war durchzogen von Depressionen, einer unglücklichen Ehe, ihrem Unwohlsein in der Stadt Zürich und dem zu frühen Tod ihres Sohnes. Das Schreiben gab ihr Kraft, ihr erstes Büchlein wurde ein Überraschungserfolg. Acht Jahre später folgte Heidi.
Heidi, die Bibel, das Kapital: Es gibt Texte, die jeder kennt und keiner gelesen hat. Heidi haftet das Image der romantischen «Alpenverklärung» an und das ist nicht komplett falsch. Aber es ist auch nicht so wirklich richtig. Heidi entstand vor dem Hintergrund einer rasenden Industrialisierung. Viele Leute waren von den Umstürzen befremdet, verstanden die Welt nicht mehr und wurden wirtschaftlich abgehängt. Johanna Spyris Bild der modernen Welt ist unschmeichelhaft, schmutzig und durchaus korrekt. Auch Heidi gefällt es in Frankfurt nicht. Aber das Kind macht dort wichtige Erfahrungen. Folglich heisst das zweite Buch: «Heidi kann brauchen, was es gelernt hat.»
Heidi wurde zum internationalen Erfolg. Johanna Spyris Buch wurde in über 50 Sprachen übersetzt und über 50 Millionen Mal verkauft. Und gerade die filmischen Adaptionen aus Japan und den USA machten aus Heidi die wohl weltweit berühmteste Schweizerin. Frisch, Dürrenmatt, Cendrars, de Staël: Johanna Spyri stellte sie alle in den Schatten.
Quelle: Diverse und Benedikt Meyer ist Historiker und Autor